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5.2.3.4 Praxishinweise für die Bewertung

Bewertung durch numerischen Vergleich

(1) Bei der Bewertung durch numerischen Wertevergleich sind u. a. folgende Aspekte zu beachten:

Messunsicherheit

1. Eine chemische Analyse ist wie jede Messung mit verfahrensbedingten Messunsicherheiten verbunden, d. h., Wiederholungsmessungen einer Messgröße (eines Parameters) führen zu mehr oder weniger abweichenden Werten. Die Streubreite der Messwerte an einem Messobjekt (einer Probe) kann je nach Messverfahren und Konzentrationsbereich kleiner als ein Prozent des Messwertes, aber auch ein Vielfaches des Messwertes sein, ohne dass die Messung als falsch zu bezeichnen wäre. Dies gilt sinngemäß auch für Doppelbestimmungen.

Daher ist es zur Beurteilung von Analysenwerten wichtig, mit dem Wert auch eine Angabe über die Messunsicherheit zu erhalten. Weitere Konsequenz daraus ist, dass diese Unschärfen der Analysenwerte auch bei der Anwendung von Prüfwerten, Maßnahmenwerten, Sanierungszielwerten usw. berücksichtigt werden müssen.

Vergleichbarkeit von Werten nur bei vergleichbaren Prüfverfahren

2. Analysenergebnisse sind vom Probenahmeverfahren, von der Probenvorbehandlung, vom chemischen Aufschlussverfahren und von der Analysemethode abhängig. Der Vergleich mit Wertelisten ist daher nur zulässig, wenn gesichert ist, dass für die Werte der Liste diese Randbedingungen die gleichen bzw. zumindest vergleichbare sind. Dies wird in der Praxis oft übersehen. Das BBodSchG fordert daher in § 8 (3), dass mit der Festlegung von Prüf-, Maßnahmen- und Vorsorgewerten auch Bestimmungsverfahren und „Anforderungen an eine repräsentative Probenahme, Probenbehandlung und Qualitätssicherung“ festgelegt werden. Dies wurde bisher in der BBodSchV nur zum Teil umgesetzt. So ist z. B. nicht festgelegt, wie eine repäsentative Probenahme durchzuführen ist. Dies ist konsequent und sachlich angemessen, da in Anhang 1 der BBodSchV bestimmt wird, dass sich das Vorgehen bei der Probenahme nach den Gegebenheiten des Einzelfalls richten muss. Damit sind Prüf- und Maßnahmenwerte für eine Gefahrenbeurteilung durch numerischen Wertevergleich nur eingeschränkt anwendbar. Vorsorgewerte sind ohnehin nicht für die Gefahrenbeurteilung geeignet.

Vergleichbarkeit von Analysemethoden

3. Im Bereich der Umweltanalytik, insbesondere für das Medium Boden, werden ständig neue Analyseverfahren entwickelt bzw. bestehende Verfahren verbessert, um sichere und vergleichbare Ergebnisse zu erzielen. Wird jedoch ein neues normiertes Verfahren (z. B. als DIN, DEV, ISO) offiziell eingeführt, mit dem z. B. im Vergleich zum bisherigen Verfahren nicht nur (leicht freisetzbare) Teilmengen eines Stoffes, sondern der gesamte Stoffgehalt erfasst werden kann, muss dies eine kritische Überprüfung und ggf. Änderung der Maßstäbe zur Folge haben. Unterbleibt dieser Abgleich, kann es vorkommen, dass die Entscheidung über eventuell notwendige Maßnahmen ausschließlich vom verwendeten Analyseverfahren abhängig ist (Beispiel: Analyse von MKW).

Repräsentativität

4. Ergebnisse von Laboranalysen charakterisieren die jeweils untersuchte (homogenisierte) Laborprobe, die nur einen Teil der im Gelände gewonnenen Probe umfasst. Für die Ergebnisdarstellung wird in der Regel der an der Laborprobe bestimmte Wert dann auf die Umgebung der Probenahmestelle im Gelände übertragen.

Es wird angenommen, dass diese Umgebung die gleichen Werte aufweist. Dies ist in der Praxis sicher nur mit Einschränkungen gegeben, insbesondere wenn Kontaminationen abgegrenzt werden sollen, also kontaminierter Boden dicht neben nicht kontaminiertem liegt.

Absicherung der Analysenergebnisse bei kritischen Entscheidungen

5. Die Genauigkeit der Aussage eines einzelnen Analysenwertes hängt ganz entscheidend von der Homogenität des beprobten Materials (Aufschüttung, Abfall, natürlicher Boden, Wasser, Luft) und der Repräsentativität der entnommenen Probe ab. Dies ist bei der Bewertung zu berücksichtigen. Daher werden als Grundlage für die besonders kritischen Entscheidungen Doppelbestimmungen bzw. Doppelbeprobungen gefordert (s. Anhang A-2.5).

Die Konzentration ist nicht das einzige Bewertungskriterium

6. Die Konzentration eines Schadstoffes erlaubt keine Rückschlüsse auf:

  • die vorhandene Stoffmenge,
  • die Mobilität,
  • die Freisetzungsrate,
  • die Dauer der Freisetzung,
  • die Ausbreitungsmöglichkeiten am Standort

und damit keine Aussage über die Expositionsintensität und Expositionsdauer der Schutzgüter. Die Schadstoffkonzentration als einziges Bewertungskriterium ist daher zur abschließenden Gefährdungsabschätzung nicht ausreichend.

Beprobungstiefe abhängig von der Nutzung

7. Gemäß § 8 BBodSchG sind Prüf- und Maßnahmenwerte „unter Berücksichtigung der Bodennutzung“ anzuwenden, d. h., differenziert nach verschiedenen Wirkungspfaden. Anhang 1 der BBodSchV legt nutzungsorientierte Beprobungstiefen fest, für die die Prüf-, Maßnahmenund Vorsorgewerte gelten. Sollen diese Werte zur Beurteilung herangezogen werden, sind daher die Vorgaben zur Beprobungstiefe zwingend zu beachten.

Es ist bedauerlicherweise Stand der Praxis, diese Einschränkungen zu ignorieren und unabhängig von der Entnahmetiefe die Analysenergebnisse anhand von Bodenprüfwerten zu beurteilen. Dieses Vorgehen kann zu Fehlentscheidungen führen.

Für eine abfallrechtliche Beurteilung ist der betroffene Boden repräsentativ zu beproben.

Wenn nicht auszuschließen ist, dass die zu Beginn der Untersuchung vorhandene Geländeoberfläche bei der späteren Nutzung verändert wird, ist dies bei der Festlegung der Beprobungstiefe zu berücksichtigen. Wird z. B. ein Teil des Bodens abgeschoben oder aus einer Baugrube ausgehoben, so ist im Allgemeinen eine Untersuchung allenfalls in abfallrechtlicher Hinsicht oder zur Entscheidung über Arbeitsschutzmaßnahmen sinnvoll, nicht aber eine Untersuchung zur Gefährdungsabschätzung für die zukünftige Nutzung. Wird z. B. eine Fläche vor ihrer Folgenutzung durch eine Anfüllung abgedeckt, so ist es wenig sinnvoll, sie vorher im Hinblick auf eine Gefährdung durch Staubverwehung zu untersuchen.

Wenn zum Zeitpunkt der Untersuchungen die zukünftige Nutzung noch nicht bekannt ist, können entsprechend keine nutzungsbezogenen Prüfwerte verwendet werden. Allgemeingültige Prüfwerte widersprechen jedoch der Definition des BBodSchG. Ob die vielfach geübte Praxis, in solchen Fällen die sensibelste denkbare Nutzung anzunehmen, angemessen ist, ist im Einzelfall vor der Festlegung eines Untersuchungsprogramms zu prüfen und zu begründen.

8. In der Praxis wird die tatsächlich im Boden vorkommende Werteverteilung mit einer einzelnen Zahl (Orientierungswert) verglichen. Im Einzelfall ist zu entscheiden, ob die Konzentration eines Schadstoffes im Boden über das arithmetische oder geometrische Mittel, den Median, das 90- oder 95-Perzentil oder andere Repräsentanz-Ableitungen für den Vergleich mit den Prüf- oder Maßnahmenwerten heranzuziehen ist.

Besonderheiten bei aufsummierten Werten

9. Bei aufsummierten Parametern für einzelne Stoffgruppen (z. B. BTEX, LHKW, PAK, PCB) müssen die Einzelstoffe, die zur Bildung des Summenwertes zu erfassen sind, für Analysenergebnis und Bewertungsmaßstab einheitlich sein. Dies ist in der Praxis häufig nicht der Fall.

Z. B. ist bei BTEX die Anzahl der Einzelstoffe im Anhang 2 der BBodSchV festgelegt. Dabei handelt es sich nicht, wie nach der Abkürzung zu erwarten wäre, um Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylole, sondern zusätzlich auch um Styrol und Cumol. Bei PAK sind sogar mehrere Varianten bei der Zusammenstellung der Einzelstoffe möglich.

Bewertung ist nicht allein durch numerischen Wert zulässig

(2) Fazit: Bewertungen allein auf der Basis numerischer Vergleiche (gemessener Wert größer oder kleiner Wertemaßstab) sind nicht sachgerecht. Zwar kommt den gemessenen Schadstoffkonzentrationen eine große Bedeutung zu (schließlich sind sie die Auslöser der schädlichen Auswirkungen), die Formulierung der BBodSchV „die Ergebnisse der orientierenden Untersuchungen/Detailuntersuchung sind nach dieser Verordnung unter Beachtung der Gegebenheiten des Einzelfalls insbesondere auch anhand von Prüf-/Maßnahmenwerten zu bewerten“ stellt aber ausdrücklich klar, dass nicht die Werte allein das Maß sind. Dabei werden der Bewertung nach der orientierenden Untersuchung die Prüfwerte und der Bewertung nach der Detailuntersuchung (also der Gefährdungsabschätzung) die Maßnahmenwerte „insbesondere“ zugeordnet (§ 4 BBodSchV).

Möglichkeiten sachgerechter Bewertung

(3) Die Bewertung: „Weil der (an anderer Stelle pauschal festgelegte) Wert überschritten wurde, muss ...“ ist also nicht akzeptabel.

Eine geeignete Form wäre z. B.: „Unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalles (diese sind explizit zu benennen) sind Schadstoffkonzentrationen oberhalb eines Wertes von xxx nicht tolerierbar, daher muss ...“. Dabei ist dieser Wert nicht irgendein Listenwert, sondern ein für den Einzelfall festgelegter Schwellenwert, für den zusätzlich definiert werden muss, wann er von einem Messwert als überschritten gilt und wie viele extreme Einzelwerte ihn ggf. überschreiten dürfen.

Die Festlegung dieses Schwellenwertes muss dabei nach den Vorgaben der BBodSchV bzw. nach der „Bekanntmachung über Methoden und Maßstäbe für die Ableitung der Prüf- und Maßnahmenwerte nach der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV)“ (Bundesanzeiger Nr. 161a vom 28.08.1999) erfolgen.

Ausgehend von dem Szenario, für das der betreffende Prüf- bzw. Maßnahmenwert festgelegt wurde, werden die Abweichungen der Gegebenheiten des Einzelfalles davon herausgearbeitet und die Gefahrenschwelle dadurch angepasst. Der Schwellenwert des Einzelfalles liegt dann mehr oder weniger deutlich über dem Prüf- oder Maßnahmenwert.

Sicherheit beim Unterschreiten gesetzlich definierter Werte

(4) Auf der anderen Seite ist aufgrund der Ableitung der Prüf- und Maßnahmenwerte als allgemeine Gefahrenschwellen deren Unterschreitung eine ausreichende Sicherheit. Ist nach den Ergebnissen der orientierenden Untersuchung ein Prüfwert sicher unterschritten, so ist für alle Einzelfälle bezüglich des betreffenden Parameters und Wirkungspfades keine schädliche Bodenveränderung anzunehmen. Weitere Maßnahmen sind nicht erforderlich. Wird nach der Detailuntersuchung der relevante Maßnahmenwert unterschritten, so ist in der Regel ebenfalls davon auszugehen, dass keine schädliche Bodenveränderung vorliegt.

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